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Blick auf Penzlin vom Mühlenberg Spiegelung
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Der Barbier von Penzlin

In der Stadt Penzlin lebte vor bald hundertfünfzig Jahren der Barbier Andres, ein skrupelloser, böser Mensch, der ob irgendeines Verbrechens nach seinem Tode keine Ruhe im Grabe fand, sondern allnächtlich in der Stadt zu spuken begann und seinen Mitbürgern manchen bösen Schabernack spielte. Am tollsten trieb er es in seinem früheren Wohnhause. Dort polterte und tobte er zu nächtlicher Zeit umher, dass niemand es lange im Hause aushalten konnte. Doch auch in andern Häusern trieb er sein Unwesen, und viele seiner Schandtaten leben noch heute im Gedächtnis der Penzliner fort. Es lebte zu jener Zeit in Penzlin auch ein Schmied namens Jost, der einen Stall in der Mühlenstraße besaß, wo er seine Kohlenvorräte zu lagern pflegte, um sie je nach Bedarf von dort nach Hause zu holen. Als der Schmied eines Tages wieder einmal seinen Stall betrat, sah er zu seinem Schrecken oben auf dem Kohlenhaufen den verstorbenen Barbier Andres sitzen, der ihn höhnisch angrinste. Der Schmied füllte in Eile seinen Sack mit Kohlen, als er ihn aber auf seine breiten Schultern lud, sprang der Geist mit einem Satz auf den Sack und drückte mit einem ungeheuren Gewicht den kräftigen Schmied fast zu Boden, so dass er sich nicht vorwärts bewegen konnte, sondern schließlich den Sack wieder auf die Erde fallen lassen musste. Just das hatte der Geist bezweckt. Er umtanzte schadenfroh den Schmied, schnitt ihm hässliche Fratzen, streckte ihm die Zunge lang heraus und wollte sich schier „totlachen“, als der erboste Schmied vergebens versuchte, ihn mit Hieben zu verjagen. Nahm der Schmied seinen Sack wieder auf die Schultern, begann das Spiel von vorne, und erst nach Stunden und am ganzen Leibe schwitzend langte der Schmied mit seinen Kohlen zu Hause an.

So trieb der Geist es nun jedes Mal, wenn der Unglückliche erschien, um Kohlen zu holen, und es kam so weit, dass dieser nur noch mit Zittern und Zagen seinen Stall zu betreten wagte. Doch nicht nur mit ihm trieb Andres seinen Spott, sondern auch noch mit vielen andern Penzliner Bürgern. Allmählich bekamen diese sein Unwesen satt und beschlossen, etwas Ernsthaftes gegen ihn zu unternehmen. Nun wohnte in Penzlin damals auch ein Ackerbürger namens Peter. Dieser hatte von einem durchreisenden Drechsler allerlei von der Schwarzen Kunst erlernt und von diesem auch eine hölzerne schwarze Hand bekommen, die ihm besonders beim Geisterbannen gute Dienste tat. An diesen Peter wandten sich die Penzliner und baten ihn, den Geist des Andres aus der Stadt zu verbannen. Peter war zu diesem Dienst gerne bereit und lauerte schon am nächsten Abend dem Geiste des Barbiers auf, als er eben wieder mit seinem Treiben beginnen wollte. Gegen die schwarze Hand war dieser machtlos, und so gelang es dem Peter bald, jenen in einen Sack zu jagen, den er sogleich fest verknotete und aus der Stadt heraustrug, um den Geist irgendwo außerhalb an einem entlegenen Ort festzubannen.

Als Peter nun den Sack schon ein Ende fortgetragen hatte, kam er in die Nähe eines Baches, dessen Wasser lustig rauschend eine Mühle trieb. Kaum vernahm der Geist im Sack das Rauschen des Wassers, so begann er im Sack zu toben und machte sich schließlich so schwer, dass Peter ihn zur Erde fallen lassen musste. Der Geist hatte aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Peter bearbeitete ihn nun unbarmherzig mit der schwarzen Hand, so dass der Geist nach kurzer Zeit um Gnade winselte. Dabei rief er jammernd aus, Peter möchte ihm doch nur sagen, wohin er ihn bringen wolle. „Nach dem Burbrook“, erwiderte dieser. Das war dem Geist des Andres nun gar nicht recht, und er beschwor seinen Bezwinger flehentlich, ihn überall sonst, nur nicht dorthin zu tragen. So einigten sie sich denn, dass Peter den Geist auf den Soltborn bringen solle. Als er nun mit seiner Last in der Nähe der Grapenwerder Brücke anlangte, begann der Geist zum zweiten Male zu rebellieren. Wieder machte er sich schwer und sträubte sich so lange, bis Peter in Wut geriet und ihm wiederum mit der schwarzen Hand zu Leibe rückte. Bei diesem Gemenge aber entdeckte der Geist ein kleines Loch im Sack, durch welches er im Handumdrehen entwischte und unter der Brücke verschwand. Indessen war dem Peter die Lust vergangen, sich noch weiter mit ihm abzuplagen, und da es schon Nacht werden wollte, bannte er ihn kurzerhand an Ort und Stelle bei der Brücke fest.

Die Penzliner hatten nun freilich Ruhe vor dem Spuk, doch um so toller trieb der Geist fortan sein Unwesen an der Brücke. Kein Bauer, kein Fuhrwerk, kein Stück Vieh konnte diese unbelästigt passieren, und bald war es so weit, dass jeder der irgend konnte, den verrufenen Ort mied. Einige Jahre später begab es sich, dass jener Peter, der einst den Geist aus der Stadt verbannt hatte, eines Abends mit seinem Sohne die Pferde auf die Weide bringen wollte. Dabei überschritt er, als sie über die Grapenwerder Brücke kamen, unachtsam den Kreis, in welchen er den Barbier vor Jahren gebannt hatte. Diese Unachtsamkeit aber wäre ihm bald übel bekommen, denn sofort stürzte sich der Geist mit aller Kraft auf Peter, und da dieser seine schwarze Hand zu Hause gelassen hatte, setzte er ihm auch gewaltig zu. Er drängte sogar seinen einstigen Bezwinger in einen Graben und machte Miene, ihn dort im Schlamm zu ersticken. Da rief Peter seinem Sohn zu: „Lat de Pier un slah denn’ Hund dod!“ Nun kam es noch ärger, denn jeder Schlag des Sohnes traf nicht den Geist, sondern den armen Peter, der endlich ausrief : „Lat dat Slahn, du sleist mi süs dod!“ Schließlich gelang es Peter nach erbittertem Ringen, sich von dem Geist zu lösen. Er stürzte nach Hause und kehrte mit der schwarzen Hand zurück, mittels deren er den Geist nochmals in einen Sack jagte und ihn nun wirklich auf den Soltborn brachte. Hier bannte er ihn in einen Kreis, den jener nie mehr verlassen sollte und auch nie mehr verlassen hat. Nur noch einmal nach vielen Jahren hat der Geist des Barbiers von sich reden gemacht, als ein Ackersmann einen Strich Acker bearbeiten wollte, der sonst stets brachgelegen hatte. Als jener dabei in den Bannkreis des Geistes geriet, belästigte und quälte dieser ihn so lange, bis der Bauer von seinem Tun Abstand nahm und es ein für allemal aufgab, den Boden an dieser Stelle zu bestellen.

Quelle: „Die Wundereiche“, eine Auswahl Mecklenburgischer Sagen von Ruth Roggentin Petermänken-Verlag Schwerin, Veröffentlicht 1959 unter Lizenz-Nr. 381/325/4/59, DDR

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